Taken Chapter One Dasha
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Titel: War's das?
(Original-)Dateiname: war's-das.txt
Geschrieben am: 2001-10-22 (da war ich wohl nicht so gut drauf
*grins*)
Autor(in): 'Lisa (17)' bzw. 'Katrin Elisabeth'
Copyright (abgekupfert von Debbie Sanderson):
"Feel free to pass it around, archive it, repost it...
Please don't alter it, or charge for it. Thanks."
Auf Deutsch (quasi woertlich uebersetzt):
"Nimm dir die Freiheit und reiche die Geschichte herum,
speichere sie, schicke sie weiter ... Bitte aendere sie aber
nicht, und verlange fuer sie auch kein Geld. Danke."
War's das?
von Lisa
Eigentlich will ich's ja nicht glauben. Die anderen, die leben
doch auch und anscheinend recht zufrieden. Sie werden akzeptiert
so wie sie sind. Und ich? Wenn ich mal ich bin, ohne Theater zu
spielen, dann wird auf mich mit dem Finger gezeigt, ich werde
verspottet, verachtet, und normalerweise, wenn man nicht gerade
Lust hat jemanden zu treten, ganz einfach links liegengelassen.
Aber der Mensch, er ist doch ein Rudeltier! Einfach so allein
auf der Welt dahin zu existieren, das kann doch nicht der Sinn
meines Lebens sein. Ach nein, natuerlich nicht. Selbst ein
Schandfleck wie ich kann ja noch sinnvoll genutzt werden: Als
abschreckendes Beispiel und in meinem Fall als Pruegelknabe.
Aber ich habe einfach keinen Spass mehr daran, nur noch Kontakte
zu anderen zu haben, wenn die zu viel getrunken haben oder ihren
Kumpels mal wieder zeigen wollen was wirklich Spass macht.
Ja, ich habe auch Angst, wieder eine Plastiktuete mit Gummibund
ueber den Kopf gezogen zu bekommen, nachdem man mir meine Haende
auf den Ruecken gebunden hat.
Ich habe Angst davor, man koennte mich wieder kopfueber in eine
Kloschuessel haengen und die Spuelung betaetigen um mir bei der
'Mundspuelung' zu helfen, nachdem man mich zu einer
'Franzoesischstunde' eingeladen hat.
Ich hasse es, auf einem kleinen Podest stehend mit meinem
Oberkoerper ueber einem Balkongelaender im 6. Stock zu haengen
und nur dadurch vor dem Drueberfallen geschuetzt zu sein, weil
durch die Balkongitter hindurch meine Handgelenke mit meinen
Fussgelenken per Handschellen verbunden sind. Und noch mehr
hasse ich dieses voellige Ausgeliefertsein den anderen
gegenueber.
Warum? Warum ich? Ja, die anderen haben schon Recht. Ich bin der
Abschaum der Menschheit. Eine Art Lehrstueck, Versuchsobjekt,
Experimentiermaterial.
Ich verachte mich ja selbst fuer meine Gedanken- und
Gefuehlswelt. Doch eigentlich was ist denn so schlimm an meinen
Kindheitstraeumen und -gefuehlen?
Wenn meine Eltern nicht gestorben waeren, damals bei dem
Autounfall, dann waere ich nicht ins Heim gekommen. Dann, dann,
dann. Dann waere alles anders gekommen. Mama hat mich nicht fuer
meine Gefuehle verachtet. Und sie haette es sicherlich auch
spaeter nicht getan. Sie fand es damals anfangs zwar erstaunlich
und etwas merkwuerdig, dass ihr kleiner Bub sich bei seiner
Nachbarin so gern wie ein Maedchen anzog, aber sie fand selbst
recht schnell Gefallen an meiner Neigung zum Maedchenhaften. Es
dauerte nicht lange und ich hatte die suessesten, huebschesten
und bezauberndsten Kleidchen, die sich ein sechsjaehriges Kind
in seiner Phantasie vorstellen konnte.
Ja, Geld hatten wir. Papa war Pilot bei einer grossen
Luftfahrtgesellschaft. Und ich als Einzelkind - es war eine sehr
schoene Zeit.
Einen Kindergarten musste ich nie besuchen. Mama hat naemlich
nicht gearbeitet. Einmal hatten Mama und ich ein
Mutter-Tochter-Kleiderset an. Dazu trug ich eine weisse
Feinstrumpfhose und Sandaletten mit huebschen Riemchen und ueber
2cm hohen Absaetzen. Ich kam mir schon wie eine richtige kleine
Dame vor.
Es war ein Sonntag. Wir besuchten zu zweit einen Tierpark. Papa
war mal wieder unterwegs. Erst spaet am Abend sollte er
heimkommen. Tags darauf wollten meine Eltern miteinander fuer 3
Tage nach Rom fliegen. Ich blieb lieber bei meiner Nachbarin
Sylvia. Am Montag Vormittag verabschiedete ich mich von meinen
Eltern und dann ging's fuer sie los nach Nuernberg zum
Flughafen.
Die drei Tage vergingen wie im Fluge. Jeden Abend riefen mich
meine Eltern an und wuenschten mir eine gute Nacht.
Auch am Donnerstag Abend riefen sie an. Sie waren da gerade
wieder in Nuernberg gelandet. "In spaetestens einer Stunde sind
wir wieder bei Dir", versprach mir Papa am Telefon.
Die Stunde, sie wurde zur Ewigkeit. "Aber Papa hat's mir doch
versprochen!", schrie ich, weinte ich und klammerte mich an
Chrisi meinen kleinen Stoffbaeren.
Aus den 3 Tagen bei Sylvia wurde fast ein Monat. Meine Eltern
kamen nicht mehr. Sie holten mich nicht ab. Sie hatten mich im
Stich gelassen. Statt dessen kam eine fremde Frau und sagte, sie
waere die Heimleiterin und ich muesse jetzt mit ihr kommen.
Ich sah Sylvias Mama an, aber sie nickte sehr ernst und brachte
zwei Koffer zum Vorschein, die aus unserer Wohnung stammten.
Bei Sylvia konnte ich wohl nicht mehr bleiben. Unsere Wohnung
war zugesperrt. Was blieb mir anders uebrig als mit dieser Frau
mitzugehen.
Als wir beim Heim angekommen waren, da hatte ich bereits
endgueltig begriffen, dass ich von nun an da zu wohnen hatte.
Hoffentlich bekomme ich ein Einzelzimmer, so dachte ich mir,
denn mir fiel die Erzaehlung meiner Mama ein, als sie mal was
von Schlafsaelen in Heimen erwaehnte.
Ich kam in keinen Schlafsaal, sondern zu einem anderen Bub, den
ich anfangs zwei Jahre aelter als mich schaetzte. Aber das war
verkehrt. Er war in meinem Alter und aergerte sich darueber, von
nun an sein Zimmer nicht mehr allein bewohnen zu duerfen.
Er stellte von vornherein klar, wer hier im Zimmer das Sagen
hatte. Ich war es nicht. Ich war dafuer was anderes: sein
Stubenmaedchen.
Klaus hatte nicht nur in unserem Zimmer das Sagen. Auch bei
seinen Schulkameraden galt sein Wort viel mehr als das der
anderen. Zwar hatte er sich darueber aufgeregt, einen
Zimmerbewohner zu bekommen, aber sonst fiel er bei allen
Betreuerinnen und Betreuern, sowie der Heimleitung wohl
ausschliesslich positiv auf. Was er sagte, das wurde geglaubt.
Aus diesem Grund habe ich mich bis auf einen einzigen Versuch
nie ueber ihn beschwert. Auch da nicht, als er mir gleich in der
ersten Nacht mit Hilfe von Tesafilm um die Handgelenke und einer
Eimertuete ueber meinem Kopf zeigte, dass es fuer mich besser
ist, mich nicht gegen seine Wuensche zu stellen.
Als er mir dann nach rund 2 Jahren - wir hatten immer noch das
gleiche Zimmer - nahelegte, ich muesse als sein Zimmermaedchen
von nun an Maedchenkleidung tragen, da hatte ich nicht einmal
was gegen die Maedchenunterwaesche einzuwenden. Nur in Gegenwart
anderer wollte ich kein Kleid und keinen Rock tragen.
Letztendlich aber brachte er mich nicht nur so weit mir von
meinem Taschengeld Maedchenbekleidung zu kaufen, sondern mit
fuer andere nicht sichtbarer Gewalt auch dazu, dass ich in
Gegenwart seiner Freunde das Kleid trug, das ich mir zu
Weihnachten auf seinen Wunsch hin gewuenscht hatte. (Eigentlich
war es sogar mein eigener Wunsch. Ich war geschickt genug,
meinen eigenen Wunsch ihm als den seinen zu verkaufen.)
Die Heimleitung fand das alles etwas merkwuerdig, so dass man
mir eine psychotherapeutische Behandlung angedeihen liess. Das
Einzige, was die Therapeutin jedoch aus mir herausbekam, das war
das, dass ich auch bei meinen Eltern schon gern als Maedchen
auftrat.
Den psychischen Druck und die koerperliche Gewalt, die Klaus mir
gegenueber gebrauchte, erwaehnte ich mit keiner Silbe. Einmal,
so im ersten halben Jahr, hatte ich Klaus diesbezueglich bei
unserer Heimleiterin mal angeschwaerzt. Sie glaubte mir nicht
und machte eine Gegenueberstellung bei der Klaus von meiner
Unterstellung geradezu entsetzt und schwerst enttaeuscht war. Er
bestritt natuerlich alles. Daraufhin war er eine Woche lang
ausgesprochen lieb zu mir. Und dann kam die Nacht, die mir noch
jetzt, rund 10 Jahre spaeter Alptraeume bereitet.
Niemals haette ich es gewagt, meiner Therapeutin gegenueber
schlecht von Klaus zu sprechen.
Das Tragen meines Kleides konnte mir niemand ausreden. (Schon
allein aus Angst vor Klaus.) Wenn ich als Maedchen gekleidet
war, dann war ich Klaus' Maedchen. Das heisst, er kuemmerte sich
um mich und verteidigte mich auch anderen gegenueber. Nicht mal
gemeine, abfaellige Bemerkungen waren den anderen dann mir
gegenueber erlaubt. In einem Kleid fuehlte ich mich sicher,
geborgen und irgendwie eben auch behuetet bzw. vielleicht sogar
ein wenig geliebt.
Es kann schon sein, dass auch diese Gefuehlserfahrungen von
damals dazu gefuehrt haben, dass ich seit Jahren davon traeume,
ich waere als Maedchen auf die Welt gekommen. Aber nein, das ist
falsch. Diese Traeume, die hatte ich sogar schon, da hat Mama
noch gelebt.
Im Heim war ich also als das Maedchen von Klaus bekannt. Meinen
Bubennamen Karli hoerte ich nach einigen Monaten nur noch in
unserer Schule. In der Schule musste ich in Hosen erscheinen,
das hatte da mal die Schulleitung unserer Heimleiterin
mitgeteilt, nachdem ich an einem Tag in einem langen Rock in der
Schule erschienen war. Gern waere ich auch in die Schule in
einem Kleid gegangen. Fuerchten haette ich mich nicht muessen.
Klaus haette mich schon beschuetzt. Einmal ging ich in einer
'normalen' Jeans. Das haette ich nicht tun sollen. Klaus schien
das ganz und gar nicht gefallen zu haben. Jedenfalls machten
andere Schueler mir klar, dass sie so eine Tunte wie mich nicht
mehr in ihrer Schule wuerden haben wollen. Oder aber sie wuerden
selbst den Fehler korrigieren, und dabei fuchtelte einer mit
seinem Taschenmesser vorn an meiner Jeans umeinander. Klaus sah
nur aus der Weite zu und tat nichts. Von da an war mir klar,
dass ich nur noch in eindeutigen Maedchenhosen und Leggings in
die Schule gehen wuerde.
Klaus verteidigte mich, wann immer es notwenig war. (Natuerlich
trug ich nie Bubenbekleidung. Sonst haette er so getan, als
wuerde er mich nicht kennen.) Und wenn ich ein Kleid oder einen
Rock mit nettem Oberteil trug, dann war er mir gegenueber sogar
immer Kavalier. Das fand ich richtig nett von ihm. Eigentlich
fast schade, dass unsere Beziehung dennoch in gewisser Weise auf
Macht und Gewalt basierte. Es gab Momente, in denen haette ich
mir gewuenscht, unsere (=Klaus und meine) Vergangenheit haette
anders, freundschaftlich ausgesehen. Er konnte ein sehr
entgegenkommender, netter Bursch sein.
Einige Jahre lang ging dies so dahin. Ich fuehlte mich glatt
wohl in meiner Haut. Ich lebte in gewisser Weise als Maedchen in
dem nur von Buben bewohnten Heimgebaeudeteil. Man beschaeftigte
sich gern mit mir, blieb aber auf der anderen Seite mir
gegenueber auch immer irgendwie auf Distanz. Vermutlich aus
Angst vor Klaus.
Im Heim war ich 'Lisa'. Die Betreuer und Betreuerinnen hatten
damals als ich 8 war sehr schnell meinen Maedchennamen
uebernommen. Unsere Heimleiterin, Frau, bzw. Frl.
Suittenpointner brauchte dafuer etwas laenger. Doch auch sie
begann nach vielleicht einem viertel Jahr, mich mit 'Lisa'
anzusprechen. Erst noch etwas zoegernd, doch als ich ganz
selbstverstaendlich auf diesen Namen reagierte und mich
anscheinend auch ihrer Meinung nach maedchenhaft genug benahm,
da wurde auch fuer sie der Name 'Lisa' eine
Selbstverstaendlichkeit. Sie mochte mich sehr. Ich habe durch
ihre Sympathie mir gegenueber so manche Privilegien genossen,
die meine Mitbewohner nie kennenlernen durften.
So mit 12, 13 aber aenderte sich mein Leben erneut. Ploetzlich
kam es mir so vor, als wuerde es Klaus vor mir ekeln, als wuerde
er sich fuer mich schaemen, als wuerde er mich wie Dreck
behandeln. Ploetzlich fing er an, sich anderen gegenueber ueber
mich lustig zu machen. Er lachte mich aus, nannte mich
Schwuchtel und homosexuelle Missgeburt. Das schoenste Wort, das
ich damals hoeren durfte, das war Tunte. Alles andere, was mir
so zu Gehoer kam, das schmerzte noch viel mehr. Ich wusste
nicht, was ich falsch machte. Ich fragte ihn, doch er gab mir
nur ausweichend Antwort.
Jetzt nach Jahren vermute ich, man hat Klaus auf einmal als
Schwuchtel bezeichnet, weil er mich als Zimmergenossen /
-genossin hatte. Und ich musste es ausbaden waehrend er seinen
Ruf restaurierte.
Es war Hildegard Knef, die vor einigen Jahren mal das Lied
gesungen hat, in dem die Zeile "von nun an ging's bergab".
Inzwischen bin ich 17. Alt genug um entscheiden zu koennen, ob
es so weitergehen soll oder nicht. Die letzten 4 Jahre haben
sich fuer mich stufenweise immer mehr einer Hoelle auf Erden
genaehert. Ich mag nicht mehr. Ich sehe keine Besserung, ich
sehe keine Zukunft. War ich bis zum Alter von 12 einer der
besten Schueler(innen) in meiner Klasse (6. Klasse Gymnasium),
so fiel ich in der 7. mit Pauken und Trompeten durch, kam
daraufhin auf die Realschule in der ich ebenfalls versagte und
bin nun in der Hauptschule 4er-Kandidat(in). Im Unterricht
traeume ich, zu Hause (im Heim) ebenfalls, sofern ich dafuer von
meinen Schikanierern ueberhaupt Zeit bekomme. Und immer wieder
kommt in mir die Angst hoch, was die sich als naechstes
vielleicht einfallen lassen. Ich bin doch nur ihr Spielzeug.
Doch manchmal, da habe ich die Zeit zu traeumen. Dann traeume
ich von einer Kindheit, in der mir nicht meine Eltern
weggenommen werden. Von einer Kindheit, in der ich mich bei
meinen Eltern geborgen und aufgehoben fuehlen darf. Ich sehe
mich in einem gelben, mit Spitzen verzierten Sommerkleid mit
blondem Haar bis zu den Schulterblaettern ueber eine gro?e Wiese
voll der schoensten Blumen auf meinen Papa zulaufen, der mich
mit ausgestreckten Armen empfangen moechte, um mich
herumzuwirbeln. Und Mama, steht in der Naehe und fotografiert
mich und dann Papa mit mir zusammen. Die Sonne scheint. Es ist
warm und die Grillen zirpen. Ich bin gluecklich, wir lachen und
setzen uns wieder auf unsere Decken, wo wir drei kurz vorher
Picknick gemacht hatten. Ich lege meinen Kopf auf Mamas Schoss
und sie liest mir zum hundertsten Male 'Schneewittchen und die
sieben Zwerge', meine damalige Lieblingsgeschichte, vor. Das
Schneewittchen in unserem Buch hatte ein wunderhuebsches Kleid
an. So eins, wie auch ich es in meinem Schrank haengen hatte.
Falsch getraeumt. Sackgasse! Der Traum ist beendet. Die
Wirklichkeit wieder da. Dieses Kleid, was ist aus ihm geworden?
Was ist aus all meiner huebschen Maedchenkleidung geworden?
Nicht ein einziges Kleid habe ich mit ins Heim genommen.
Inzwischen bin ich aus all meinen damaligen Kleidern
drausgewachsen. Meine Kindheit, wo ist sie geblieben? Die
letzten 10 Jahre, sie bestanden eigentlich bis auf wenige
Augenblicke nur aus dauernder Gewalt mir gegenueber. Klaus'
Liebe zu mir bis zum Alter von vielleicht 12 Jahren, das war
auch keine Liebe, das war von seiner Seite her nur Besitzdenken,
und ich, ich habe seinen 'Schutz' als Liebe mir gegenueber
interpretiert - zu interpretieren versucht. Ich habe mich
einfach gesehnt danach, geliebt zu werden. Ich habe mich selbst
betrogen, erfolgreich. War fuer damals sicherlich ganz sinnvoll.
Doch jetzt, jetzt falle ich in ein noch groesseres Loch.
Von Sylvia habe ich auch seit einem Jahrzehnt nichts mehr
gehoert. Bevor ich meinen letzten alleinigen Ausflug in die
Berge mache um dort noch ein paar schoene gro?e schwarze
'Kirschen' zu essen - der Geschmack von denen ist in meinen
Augen uebrigens absolut ekelig, verschwindet eine halbe Ewigkeit
nicht aus dem Mund und macht ihn so trocken, dass bloss noch
fluessige Nahrung rutscht - und mich dann zum 'Kneippen' ins
Bachwasser lege und anbinde - ich moechte ja nicht ertrinken
bzw. ersticken -, koennte ich mich eigentlich noch nach Sylvia
erkundigen. Mal sehen, was aus ihr geworden ist.
--- Eine Woche spaeter ---
Frau Gruenaug, Sylvias Mutter hat sich riesig ueber meinen
Kontaktaufbau gefreut. Sie musste mir aber leider mitteilen,
dass Sylvia seit ihrer Pubertaet magersuechtig ist und nun
bereits zum 3. Male in einer Kinderpsychiatrie wohnt.
Inzwischen habe ich Sylvias Mama und auch Sylvia in der
Psychiatrie besucht. Ueber meinen Besuch hat sie sich riesig
gefreut. Mein teilweise weibliches Erscheinungsbild hat sie
nicht irritiert. Vielmehr wusste sie anfangs nicht so recht, wie
sie mich ansprechen sollte. "Wie waere es mit 'Lisa'?", fragte
ich sie etwas schuechtern schmunzelnd. Sie war gleich dabei.
Wir drei haben uns lange, sehr lange unterhalten. Und mir
scheint, dass sich in unseren Leben demnaechst gewaltig was
aendern wird. Ich werde zu Sylivas Mama ziehen. Sylvia wird sich
bemuehen, wieder bald nach Hause zu kommen, wo wir dann
gemeinsam ihr Zimmer bewohnen werden, und meine zukuenftige
'Mama' wird mich vermutlich nur deshalb nicht zu adoptieren
versuchen, weil es sonst womoeglich Probleme geben koennte, wenn
Sylvia und ich vielleicht mal mehr als nur Schwestern sein
wollen.
Mit anderen Worten, mir scheint ich komme aus meiner momentanen
sozialen Heimumgebung heraus und bekomme wieder so was wie eine
richtige Familie. Eigentlich sogar noch mehr. Ich bekomme eine
ganz liebe Schwester und Freundin und vielleicht sogar mal
Partnerin, wer weiss? Ich kriege wieder eine Mami, die sich um
mich sorgt, und der es nicht egal ist, was aus mir wird. Eine
Mama, die mir glaubt, was ich ihr erzaehle. Mir scheint
momentan, die rund 50 Tollkirschen habe ich umsonst gepflueckt,
geschnippselt und getrocknet. Ach waere das schoen! Jetzt
ploetzlich sehe ich doch wieder eine vielleicht lebenswerte
Zukunft vor mir liegen. Ich weiss es nicht, aber es koennte
durchaus sein. Ich bin neugierig. Und momentan freue ich mich so
richtig auf die Zukunft, die vor mir (und Sylvia) liegt.
Familie, Glueck, Liebe, Zukunft - ich komme!
Lisa
Jerri
- 26.07.2020
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