Andy
- 2 years ago
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"Du wei?t, was morgen ist?" fragte Mom.
Ich sch?ttelte den Kopf. Was hatte ich vergessen?
"Silvester. Hast du das tats?chlich vergessen?"
Ich sah sie an. "Was soll ich schon Silvester machen? Ich kann ja
schlecht mit den Jungs Knallfr?sche loslassen." Was ich ein wenig
bedauerte. Aber keiner meiner Kumpels durfte mich so sehen. Ich hatte
ein Jeanskleid an und dazu die knallrote Strumpfhose. Eigentlich h?tte
ich lieber das Dirndl angezogen, aber das Jeanskleid war praktischer,
wenn ich Mom half.
"Ja, in deinem Alter ist die Knallerei wohl noch das Wichtigste. Das
wird sich schnell ?ndern. Ich habe eine Einladung f?r einen
Sylvesterball bekommen. Sozusagen in letzter Sekunde. Jemand aus meiner
Firma ist erkrankt und hat mir zwei Karten gegeben."
"Ich- ich soll auf einen Ball gehen? So?" Ich strich mit einer Hand von
oben nach unten ?ber ein Kleid.
"Nein, nat?rlich nicht in einem Jeanskleid. Ich habe schon nachgesehen,
das Outfit von meinem Bruder ist da und f?r den Ball gut geeignet."
"So meinte ich das nicht. Ich kann doch nicht als M?dchen auf einen Ball
gehen!"
"Warum nicht? In einem Anzug s?hst du mit den Fingern?geln und der
Frisur ziemlich albern aus. Und du hast nicht einmal einen Anzug, aber
ich habe ein Kleid f?r dich."
"Aber Mom! Wenn mich jemand sieht?"
"Du gehst ins Kino und Einkaufen, und hast ein Problem damit, auf einen
Ball zu gehen?"
Irgendwie konnte ich mir das selber nicht erkl?ren. Einerseits hatte ich
mich an Kleider und R?cke so sehr gewohnt, dass ich es nur noch als
normale Kleidung wahrnahm. Aber in bestimmten Situationen hatte ich
immer noch Angst so gesehen zu werden.
"Du hast immer noch Angst als Junge in M?dchenkleidern entlarvt zu
werden." Mom konnte Gedanken lesen. "Ich glaube nicht, dass du besorgt
sein musst. Auf dem Bild in der Zeitung hat dich niemand erkannt."
"Aber das war nur ein Bild. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man
jemandem gegen?bersteht."
"Da hast du zwar Recht, aber ich glaube nicht, dass deine Schulkameraden
dich erkennen w?rden."
"Nur wegen dem Makeup und der Frisur?"
"Nein, nicht nur deswegen, obwohl die Frisur dich stark ver?ndert. Und
deine d?nnen Augenbrauen tragen auch dazu bei. Aber deine K?rpersprache
ist eine andere geworden, das macht den gr??ten Unterschied. Du redest
selbst anders."
"Ich rede anders?"
"Ja. Wie soll ich es sagen, irgendwie - weicher? Du saugst die
Weiblichkeit regelrecht in dir auf. Wie schon mit dem Knicksen, das du
so schnell sehr gut konntest."
"Ich sauge Weiblichkeit auf?" Unabsichtlich hatte ich meine Gedanken
laut ausgesprochen.
"Ja", erwiderte Mom in einem ?berzeugten Tonfall. "Anders kann man es
nicht sagen. Niemand w?rde mir glauben, dass da in dem Jeanskleid mein
Sohn steckt." Sie seufzte.
Ich wusste nicht, ob sie das nun gut fand oder nicht. Der Seufzer
deutete eher darauf hin, dass sie es nicht gut fand. Deshalb sagte ich,
"Soll ich dann nicht besser damit aufh?ren?"
Sie ?berlegte einen kleinen Moment. "Nein, es bleibt dabei: In diesen
Ferien keine Hose f?r dich. Ich will sehen, was daraus wird. Und du hast
ja auch nichts anderes."
Das war schon wirklich unglaublich. Ich hatte tats?chlich nur
M?dchenkleider, und nichts davon war Unisex. Jedes Teil sagte klar und
deutlich M?dchen. "Aber ich k?nnte doch ein paar Sachen f?r Jungen
kaufen?"
"Es bleibt dabei. Keine Hosen f?r dich in den Ferien. Also auch kein
Anzug."
Ich wollte etwas dagegen sagen, aber lie? es sein. Eigentlich f?hlte ich
mich in den Kleidern wirklich wohl. Und auf einiges h?tte ich wirklich
nur schweren Herzens verzichtet, etwa auf den Jeans Minirock oder das
Dirndl. Aber die Idee mit dem Ball gefiel mir nicht. "Muss man da nicht
auch tanzen?"
"Sicher, sonst w?re es kein Ball."
"Ich kann nicht tanzen."
"Du bist in dem Alter, in dem man in die Tanzschule geht. Ich werde dich
zu dem n?chsten Kurs anmelden."
"Das hilft mir auf dem Ball aber auch nicht."
"Ich bringe dir ein oder zwei T?nze bei. Das reicht erst einmal."
Mom beendete die Diskussion damit, indem sie aufstand und ging. Kurz
darauf kam sie mit einem mir wohlbekannten Karton zur?ck. Dann packte
sie die Sachen aus. Zuerst das Kleid, das ich schon einmal anhatte,
wovon Mom aber nichts wusste.
"Wer hat denn das so unordentlich hereingetan?"
Oh, oh.
Sie hielt das Kleid vor sich. "Nur gut, dass der Stoff nicht so leicht
knittert." Dann f?gte sie mit leiser Stimme hinzu, "Ich wollte, ich
k?nnte das noch anziehen."
Dann sah sie wieder in den Karton. "Ach ja, dazu geh?rt ja die passende
Unterw?sche." Damit holte sie das schwarze Teil mit den Strapsen heraus.
"Ob dir das Korselett passt?"
Ich wusste, dass es passte, wenn es auch sehr eng war. Aber ich zuckte
nur die Schultern.
Sie dr?ckte es mir in die Hand. "Hier, probiere es an. Und auch gleich
den passenden Slip."
Mit beiden Sachen ging ich auf mein Zimmer. Ich zog mich aus und den
Slip an. Beim letzten Mal hatte ich es als unangenehm empfunden, als der
Stoff des String Tangas zwischen den Pobacken verschwand. Heute war es
anders. Das Gef?hl war sehr ungew?hnlich, aber gar nicht so schlecht.
Irgendwie auch ein bisschen gut. Ich war mir jedenfalls bewusst, dass
ich etwas Besonderes trug.
Da ich nun wusste, wie ich das Korselett anzuziehen hatte, ging es recht
schnell. Durch das halb durchsichtige Material sahen meine Br?ste wie
echt aus.
Als ich zur?ck zu Mom ging, konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht
richtig deuten. Sie gab mir die Str?mpfe und ich zog sie an. Ich
fummelte zwar etwas mit den Strapsen, aber ich merkte, dass ich mich
eigentlich viel zu geschickt anstellte.
Mom zog dann die N?hte der Str?mpfe gerade. "Das passt ja sehr gut, wie
ma?geschneidert f?r dich."
Hmm, was meinte sie damit? Wohl kaum die elastischen Str?mpfe.
Vielleicht das Korselett.
Nun hielt sie die beiden Brustprothesen in der Hand. "Ich wusste gar
nicht, dass es die noch gibt." Sie sah auf meine Brust. "Es scheint etwa
dieselbe Gr??e zu sein. Nun, dann hast du Ersatz, wenn deinen etwas
passiert."
Das wollte ich nun nicht hoffen. Ein Unfall mit den Prothesen w?re mehr
als peinlich.
"Die sehen besser aus als meine. Kann ich die nicht nehmen?"
"Nimm sie einfach mit, dann kannst du dir aussuchen, welche du willst."
Dann gab sie mir die Schuhe.
Ich zog die Pumps an. Mittlerweile kam ich mit dem hohen Absatz gut
zurecht. Dann kam das Kleid, das Mom zuzippte.
Als Mom mich erwartungsvoll ansah, drehte ich eine Pirouette.
"Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Niemand wird auf die Idee
kommen, du k?nntest ein Junge sein. Das Kleid steht dir gut, eigentlich
zu gut. Du siehst darin viel zu sexy f?r dein Alter aus."
Aber ich wollte doch garnicht sexy aussehen. Oder doch? Irgendwie f?hlte
ich mich in den Sachen gut. Sehr gut. Nun fand ich die Idee nicht mehr
ganz so schlecht, morgen auf den Ball zu gehen.
Aber davor kam die Tanzstunde bei Mom. Einen Walzer m?sse ich schon
k?nnen, meinte sie. Und das war nicht einfach. Selbst in Turnschuhen
w?re es nicht einfach gewesen, aber erst recht in den Stilettos.
Zuerst dachte ich, ich w?rde es nie lernen. Ich stellte mich unglaublich
ungeschickt an. Aber ich hatte auch noch nie getanzt. Nach einer Stunde
ging es halbwegs.
Ich hatte mir ja so ein paar Pumps gew?nscht. Nun konnte ich sie nicht
schnell genug ausziehen, als wir endlich Pause machten.
"Ich h?tte nie gedacht, das Tanzen so anstrengend ist", sagte ich
ersch?pft.
"Ist es eigentlich auch nicht. Du bist einfach noch zu ungeschickt,
deshalb brauchst du zu viel Muskeleinsatz. Keine Angst, es wird besser
werden."
Nach einer Pause machten wir weiter, und es ging tats?chlich besser.
Aber Mom gab es auf, mir einen weiteren Tanz beizubringen. Langsamer und
schneller Walzer, das musste reichen.
##
Am n?chsten Morgen hatte ich Muskelkater. Die Treppe herunter tat mir
jeder Schritt weh.
Mom grinste nur, als sie es sah. "Gut, dass du noch im Nachthemd bist.
Nach dem Fr?hst?ck ziehst du dir einen Gymnastikanzug an, und dann
werden wir deine verspannten Muskeln l?sen."
Mom wusste, was sie tat. Erst eine Massage, dann musste ich ein paar
?bungen machen. Schon nach einer halben Stunde war ich wieder fit.
Als ich dann abends die Pumps anzog, war ich hin- und hergerissen.
Einerseits mochte ich, wie sie aussahen. Und erst recht, wie toll meine
Beine darin aussahen. Aber dann dachte ich daran, dass ich sie f?r viele
Stunden tragen w?rde. Ob ich das d?rchstehen konnte?
Aber andere Frauen schafften das auch, also w?rde ich es schaffen.
Hoffte ich.
Mir war nicht wohl in meiner Haut. Ich f?hlte mich in dem Kleid ?hnlich
wie beim ersten Mal in einem Rock. Im Auto verst?rkte sich meine
Unsicherheit. Da kam mir n?mlich der Gedanke, warum ich tanzen gelernt
hatte. Kaum um mit meiner Mutter zu tanzen. Das bedeutete - ich w?rde
mit einem Jungen tanzen. Oh Mann!
Ich h?tte nicht mitkommen sollen. Ob ich mir den Fu? umknicken sollte?
Dann k?nnte ich nicht mehr tanzen. Aber ich glaube, ich hatte vor dem
schmerzenden Fu?gelenk doch mehr Angst als vor dem Tanzen, auch wenn es
mit einem anderen Jungen war.
Noch etwas fiel mir ein. Selbst wenn ich jetzt einen Anzug anh?tte, ich
w?sste nicht, wie ich mit einem M?dchen tanzen sollte. Ich kannte nur
die M?dchenposition.
##
An unserem Tisch sa?en bereits mehrere Leute. Ein ?lteres Ehepaar und
ein weiteres in Moms Alter - mit einem Sohn! Auch das noch!
Er d?rfte etwas ?lter als ich sein, und war trotz meiner hohen Abs?tze
gr??er als ich. Und Mom setzte mich mit einem Grinsen neben ihn. Deshalb
wusste ich seine Gr??e, denn er stand auf und schob mir den Stuhl hin.
Ich war darauf ?berhaupt nicht vorbereitet. Wie verh?lt man sich in so
einer Situation? Entgeistert lie? ich es einfach geschehen, und das
schien auch genau das zu sein, was von mir erwartet wurde.
"Hallo, ich bin Kai. Wie hei?t du?"
Grrr. Ich schaffte es nicht einmal, eine so einfache Frage zu
beantworten, ohne zu err?ten. Wenigstens d?rfte davon nicht so viel zu
sehen sein, denn ich hatte Makeup auf meinem Gesicht. ?berhaupt war mein
Makeup st?rker als sonst, auf Moms Empfehlung hin.
"Ich hei?e Andrea." Beinahe w?re noch ein abschlie?endes S mit
herausgerutscht.
"Du siehst sehr gut aus, Andrea - wenn ich das sagen darf."
Was sollte ich da nun wieder sagen? Mir fiel absolut nichts ein. Aber
ich sah, dass sich die R?te bis zu dem Ausschnitt des Kleides
vorgearbeitet hatte. H?tte ich doch nur einen Anzug an! Da gibt es kein
Dekollet?. Und alles ist sch?n mit einer Krawatte verschlossen.
Ich hingegen war fast nackt. Das Mom, die sonst eher konservativ war, es
?berhaupt zulie?, dass ich einen String Tanga trug, konnte ich kaum
verstehen. Wegen des ?berraschenden St?hleschiebens hatte ich nicht den
Rock unter mir glatt gestrichen und sa? nun mit meinem nackten Po auf
dem Stuhl. Wenigstens war er nicht aus Plastik.
Und nicht nur mein Po war praktisch nackt, auch meine Oberschenkel. Ich
sp?rte jeden Windhauch. Drau?en, bei dem kalten Wetter, war es richtig
unangenehm gewesen.
Kai ignorierte meine fehlende Antwort und redete einfach weiter. Nachdem
wir beide etwas lockerer geworden waren, machte es mir auch Spa?, mich
mit ihm zu unterhalten.
Es war aber sehr erstaunlich, wie anders er als meine Kumpel mit mir
redete. Keine Worte wie "geil" waren zu h?ren. Ich war mir sicher, s??e
ich in einem Anzug hier, w?rde er ganz anders reden.
Und dann kam der Moment, in dem der erste Tanz angek?ndigt wurde, und er
mich tats?chlich dazu aufforderte. Ob ich das an seiner Stelle gemacht
h?tte? Beim n?chsten Ball wird es sich zeigen, denn da werde ich einen
Anzug anhaben!
Der Tanz verlief erstaunlich gut. Er war auch kein perfekter T?nzer, und
das machte meine eigene Unvollkommenheit weniger sichtbar. Gottseidank
lie? er es bei einem Tanz bewenden. Es war ein h?chst merkw?rdiges
Gef?hl in den Armen eines Jungen zu sein. Ich hatte noch nie - abgesehen
von ein paar Raufereien - so engen Kontakt zu einem Jungen gehabt.
Ich hatte gedacht es w?rde sehr unangenehm sein, so nahe bei einem
Jungen. Aber es war nicht so schlimm. Eigentlich sogar gut, obwohl ich
lieber mit Biene getanzt h?tte.
Als wir uns wieder setzten, und er den Stuhl wieder f?r mich hinschob,
war ich zum ersten Mal ?ber mein Kleid froh. Er schwitze deutlich, und
lockerte die Krawatte ein wenig. Das Problem hatte ich nicht. Einzig
meine Brustprothesen waren etwas unangenehm, da sich unter dem
Kunststoff Schwei? angesammelt hatte.
Hmm, mit richtigen Br?sten w?re so ein Kleid eine ziemlich gute Sache,
dachte ich mir.
##
Kai wollte wieder tanzen.
"Kai, ich kann das noch nicht. Ich war noch nicht in der Tanzschule."
"Aber den Walzer konntest du sehr gut, und das ist doch viel schwieriger
als ein Foxtrott. Lass' es uns doch einfach probieren."
Damit zog er mich sanft auf die F??e. Auch auf dem Weg zur Tanzfl?che
lie? er meine Hand nicht los. Das war ein noch merkw?rdigeres Gef?hl.
Das mit dem Foxtrott klappte nicht so richtig gut. Er trat mir auf dem
Fu?, aber es war wohl eher meine Schuld. Wir brachen den Tanz ab und er
f?hrte mich an meiner Hand in das Foyer, wo er mir ein Glas Sekt kaufte.
Ich hatte bisher praktisch noch nie Alkohol getrunken und war
entsprechend vorsichtig. Aber es schmeckte ziemlich gut, h?tte
vielleicht etwas s??er sein k?nnen.
Wir sa?en auf einer Bank nebeneinander und unterhielten uns ?ber Musik.
Er mochte in etwa dieselben Sachen wie ich. Pl?tzlich sp?rte ich seinen
Arm um meine Taille. Ich zuckte ein wenig zusammen, aber er ignorierte
es.
Was sollte ich jetzt nur machen! Ein anderer Junge hatte seinen Arm um
meine Taille!
Ich hatte zu wenig Erfahrung mit M?dchen und wie sie so etwas
handhabten. Biene hatte nie etwas dagegen, wenn ich meinen Arm um sie
legte. Aber Biene war meine erste Freundin. Ich hatte noch nicht
mitbekommen, wie ein M?dchen das macht, wenn sie etwas nicht will.
Am Ende will er mich noch k?ssen! Bei dem Gedanken sch?ttelte es mich.
Das brachte unerwarteterweise den gew?nschten Erfolg: Er sah mich
verwirrt an und nahm seinen Arm weg. Ich l?chelte ihn dankbar an. Nun
verstand der Arme ?berhaupt nichts mehr.
Als wir zur?ckgingen, kam gerade ein langsamer Walzer. Ich war sehr froh
dar?ber, dass wir in normaler Tanzhaltung waren, und nicht so nahe, wie
das bei einem langsamen Tanz in der Disco ?blich ist. Allerdings waren
meine Kenntnisse dar?ber nicht aus erster Hand, sondern aus dem
universellen Ratgeber aller Teenager seit Jahrzehnten: Der Bravo.
Trotzdem schaffte er es, mir verbl?ffend nahe zu r?cken. Nur gut, dass
es hier nicht zu dunkel war, sonst w?rde seine Hand noch unter meinen
Rock auf den nackten Po gehen... Ich glaube, ich ziehe so schnell keinen
String Tanga mehr an. Eigentlich sollte ich mir vornehmen, keinen Rock
mehr anzuziehen, dann k?me ich erst gar nicht in die Verlegenheit, aber
der Gedanke kam mir aus unerfindlichen Gr?nden nicht.
Aber dann geschah etwas mir v?llig Unverst?ndliches: Als der Tanz zu
Ende war, vermisste ich seine N?he auf einmal. Eben noch w?nschte ich
ihn auf den Mars, und nun fehlte mir die N?he? Was war los mit meinem
Kopf?
Kai bemerkte mein Verhalten nat?rlich. Vermutlich dachte er, er w?re mir
zu Nahe gekommen. Jedenfalls schien mein Verhalten gar nicht so
ungew?hnlich zu sein, denn er akzeptierte es einfach.
##
Ein neues Jahr hatte begonnen, das wir drau?en erlebten, um dem
Feuerwerk zuzusehen. Es war kalt. Ich sp?rte es sehr unangenehm auf
meinen nackten Oberschenkeln. Nat?rlich stand Kai neben mir. Ohne es
eigentlich zu wollen, r?ckte ich n?her zu ihm. Ein weiteres Glas Sekt,
wie es zu Neujahr ?blich war, reduzierte meine Angst vor seiner N?he.
Er fand das nat?rlich ziemlich gut. Ich sp?rte seine W?rme, erst recht,
als er seine Jacke ?ffnete und ?ber uns beide zog. Die K?lte trieb mich
an ihn. Wohlig kuschelte ich mich noch n?her und sog jedes Qu?ntchen
W?rme in mich auf. Merkw?rdigerweise musste ich genau jetzt zittern. Kai
nahm das zum Anlass, um mich vor sich zu ziehen. Ich lie? es geschehen.
Mom war ein St?ckchen weg in einer Unterhaltung vertieft. So wurde sie
erst auf mich aufmerksam, als ich einen leisen Schrei von mir gab. Kai
hatte mich gek?sst! Es war so unglaublich, dass ich einen Moment
brauchte, um mich dagegen zu wehren. Oder hatte ich den Mund freiwillig
ge?ffnet? Ich kann es nicht sagen. Jedenfalls war seine Zunge in meinem
Mund gewesen.
Nach meinen leisen Schrei, den praktisch niemand zur Kenntnis nahm,
rannte ich, so schnell es meine Stilettos erlaubten, nach innen. Und
dann auf den sichersten Ort f?r M?dchen: Die Damentoilette. Dort brach
ich erst einmal in Tr?nen aus.
Nicht, weil der Kuss so schrecklich gewesen w?re. Nein, weil ich nicht
wusste, wie ich ihn einstufen sollte. Ich musste den Kuss l?nger
akzeptiert haben, als ich das eigentlich wahrhaben wollte, denn sonst
h?tte seine Zunge nicht in meinem Mund sein k?nnen. Und vor allem musste
ich den Mund aufgemacht haben. Wann war das passiert?
Aber ich war viel zu aufgew?hlt, um vern?nftig ?berlegen zu k?nnen.
Jetzt versuchte ich erst einmal, mich zu beruhigen. Nach einer Minute
lie?en die Tr?nen nach. Aber auch wasserfestes Makeup h?lt nur eine
bestimmte Menge Tr?nen aus. Im Spiegel sah ich mich in dem mir nur zu
bekannten Waschb?ren Look.
Das war der Zeitpunkt, in dem meine Mutter zu mir kam. Sie sah mich an,
sagte kein Wort, sondern nahm mich nur in ihre Arme. Diesmal war es
nicht die W?rme, die mich in die Umarmung trieb, sondern die Suche nach
Geborgenheit.
Nun ist aber leider die Toilette kein sehr intimer Ort. Vor allem, weil
viele Frauen nach dem Feuerwerk auf die Toilette wollten.
Mom zog langsam meinen Kopf nach oben und fragte, "Na, geht es wieder?"
Ich nickte. Sprechen erschien mir noch zu schwierig.
"Mein erster Kuss von einem Jungen war noch schlimmer. Ich habe
stundenlang geheult."
Warum lassen M?dchen es ?berhaupt zu gek?sst zu werden, wenn es so
schlimm ist?
##
Als ich am n?chsten Morgen aufwachte, wusste ich zuerst nicht, ob nicht
alles nur ein Traum gewesen war. Aber St?ck f?r St?ck setzte die
Erinnerung ein. Ein Junge hatte mich gek?sst!
Nun hatte ich Zeit, dar?ber nachzudenken. Ganz in der Sicherheit meines
Zimmers. Wieso hatte ich Kai es erlaubt, mich zu k?ssen? Denn das hatte
ich zweifellos. Ich hatte mich so an ihn gekuschelt, dass er die
Einladung unm?glich ausschlagen konnte. So weit konnte ich es noch
nachvollziehen.
War der ungewohnte Sekt der Grund gewesen? Jedenfalls hatte er Hemmungen
beseitigt, da war ich mir sicher. Nie h?tte ich es sonst so weit kommen
lassen!
Oder? Ich war mir nicht so sicher. Irgendwie war Kai auch anziehend
gewesen. Er war so gro?, in seiner N?he konnte einem nichts passieren.
So sehr, wie ich die intime N?he eines anderen Jungen verabscheute, so
sehr w?nschte ich mir die N?he von Kai. Ich glaube, ich werde verr?ckt.
Nein, ich bin es schon. Ich gehe wohl nicht ohne Grund zu dem
Psychologen.
Jetzt hatte ich erstmal gro?en Durst. Und ein wenig Hunger auch.
Fr?hst?ck war angesagt, immerhin war es schon elf.
Ich wusste nicht, was ich anziehen sollte. In einem Moment wollte ich
meine alte Jeans zur?ck, im N?chsten mein Dirndl anziehen. Schlie?lich
zog ich nur meinen Morgenmantel an.
Mom war noch nicht wach. Es war sehr selten, dass ich vor ihr aufstand.
Aber ich fand es gar nicht so schlecht, dass sie nicht da war. Sie
wollte sicherlich dar?ber reden, aber ich war mir nicht sicher, ob ich
das wollte.
Ich machte Kaffee. Ich brauchte jetzt etwas, das mich aus dieser
merkw?rdigen Stimmung riss.
Das R?cheln der Kaffeemaschine hatte etwas Meditatives, und der Geruch
nach frischem Kaffee trug sein Eigenes dazu bei. Mein Wohlbefinden tat
einen gro?en Sprung nach oben, selbst bevor ich den ersten Schluck
trank.
Ich setzte mich auf die Couch mit den Beinen vor mir und hielt mit
beiden H?nden den Kaffeebecher vor meine Knie. Langsam schl?rfte ich das
k?stliche Gebr?u. St?ck f?r St?ck ging es mir immer besser.
Als Mom dann kam, sah sie mich wieder so merkw?rdig an. Ich konnte mich
ja selbst nicht sehen, wie ich in Nachthemd und Morgenmantel in einer
sehr femininen Pose auf der Couch sa?.
"Guten Morgen", sagte sie sehr liebevoll. "Wie geht es dir?"
"Gut." Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte.
"Willst du dar?ber reden?"
Ich zuckte die Schultern. Ich wusste es wirklich nicht.
"Der erste Kuss ist immer etwas Besonderes", sagte sie sanft.
"Aber es war nicht mein erster Kuss", protestierte ich. "Ich habe Biene
schon oft gek?sst. Und woher wei?t du das ?berhaupt? Ich habe nie etwas
gesagt."
"Lippenstift ist sehr verr?terisch. Und du magst schon als Junge gek?sst
haben, aber noch nicht als M?dchen."
"Aber ich bin kein..."
Sie hielt mir einen Finger auf den Mund und stoppte mich damit.
"F?r Kai warst du ein M?dchen. Und ich glaube, du hast dich auch als
eines gef?hlt. Sonst w?re es nicht so weit gekommen."
Ich schaute sie ratlos an.
"Ohne deine Einwilligung h?tte es keinen Zungenkuss gegeben."
"Woher...?"
"Habe ich doch schon gesagt: Lippenstift. Und damit meine ich die Spuren
an Kais Mund."
Hatte ich nicht bemerkt. Aber ich war in dem Moment auch nicht gerade
zurechnungsf?hig gewesen.
"Es funktioniert immer auf dieselbe Art und Weise: Das M?dchen sendet
per K?rpersprache die Einladung, und der Junge reagiert darauf. Bis
dahin ist das M?dchen die Steuernde, dann ?bernimmt der Junge. Und damit
kommen junge M?dchen ?fters nicht klar. Erst haben sie die Kontrolle,
meinen es zumindest, und dann ist auf einmal alles umgekehrt."
"Aber..."
Wieder kam der Finger auf meinen Mund.
"Das geschieht alles unbewusst, ist in den Genen verankert. Ich habe
dich und Kai gesehen."
Ich sah sie erstaunt an. Ich dachte, sie war in einer Unterhaltung
vertieft gewesen?
"Du hast dich ziemlich an ihn gekuschelt, nicht wahr?"
"Mir war kalt!"
"Ja, das ist oft ein Grund. M?dchen frieren leicht, und Jungs spenden
die ersehnte W?rme. Aber h?ttest du das auch mit einem deiner Kumpels
gemacht? Als du noch nicht ein M?dchen warst?"
Ich merkte genau, dass sie sagte, ich w?re noch kein M?dchen gewesen,
nicht "wie ein M?dchen angezogen."
Ich antwortete, "Nein, sicherlich nicht."
"Siehst du. Du hast dich genau wie ein M?dchen verhalten. Inklusive der
Reaktion danach."
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
"Nach meinem ersten Zungenkuss bin ich auch heulend weggelaufen. Ich
hatte noch nicht gewusst, was ich heute wei?. Wenn man die
entsprechenden Signale aussendet, bekommt man die entsprechende Antwort.
Dar?ber denkt ein Teenager nat?rlich nicht nach-"
"Und ob!" unterbrach ich sie.
"Ja, wenn es zu sp?t ist. Vorher nachdenken, das scheint f?r einen
Teenager unm?glich zu sein. Jedenfalls hast du die entsprechenden
Signale an Kai gesendet, als du dich an ihn gekuschelt hattest."
"Es war immer so sch?n mit dir..."
"Ja, aber mit einem Jungen ist es etwas ganz anderes. Da bleibt es nicht
beim Kuscheln. Dein Verhalten wird als Einladung zu mehr angesehen. Auch
wenn du es nicht willst. Das geht wohl vielen M?dchen anfangs so - sie
wollen nicht, was sie dann bekommen. Oder jedenfalls sind sie sich
dessen nicht bewusst. Mein erster Kuss war auf jeden Fall genauso: Ich
wollte nur ein wenig Z?rtlichkeit, aber er wollte viel mehr."
"Aber- ich wollte keine Z?rtlichkeit."
"Bist du dir da sicher?"
Ich ?berlegte, und zuckte dann die Schultern, da ich keine Antwort
finden konnte.
"Du hast dich also an ihn gekuschelt, nur um ein wenig W?rme zu finden.
Eigentlich solltest du es besser wissen. Wie hast du reagiert, als Biene
so etwas gemacht hat?"
Ich brachte keine Antwort heraus. Sie hatte so recht. Ich schaute
besch?mt zu Boden.
"Aber ich kann es nachvollziehen. Ich habe es ja genauso gemacht. Und es
gab noch nie einen Teenager, der auf das h?rt, was ihm gesagt wird. Es
z?hlen nur die eigenen Erfahrungen, vor allem die Schmerzhaften. Ich
denke, beim n?chsten Mal wirst du vorsichtiger sein."
Das w?rde ich garantiert. Aber wieso n?chstes Mal? Das w?rde nie wieder
vorkommen!
Warum verhielt ich mich nur wie aus dem Lehrbuch f?r weibliche Teenager?
Ich war doch ein Junge.
Aspen
- 25.01.2022
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